Plan B: Brücken schlagen, Neues wagen (Lesezeit ca. 3:00 Min.)

Ausgabejahr 2018
Datum 26.06.2018

Unter diesem Titel hat die TÜV Rheinland Akademie GmbH in den vergangenen 3 Jahren mit Arbeitslosengeld II-Empfängern einen „Plan B“ für die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erarbeitet. Gefördert wurde das Projekt vom Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte-Süd in Verbindung mit dem Europäischen Sozialfond.

Für viele Arbeitslosengeld II-Empfänger – egal welchen Alters – ist aufgrund multipler Vermittlungshemmnisse, psychischer und/ oder gesundheitlicher Einschränkungen bzw. Erkrankungen der Weg in Ausbildung oder Beschäftigung besonders lang und beschwerlich. Dieser Tatsache wird im Projekt „Plan B“ Rechnung getragen.

„ Wir richten das Konzept ganz individuell aus und erstellen gemeinsam mit den Dozenten, Sozialpädagogen und dem Psychologen ein auf die Teilnehmer zugeschnittenes Konzept, um sie wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen und zu integrieren“ sagt Frau Silvana Stüwe, die Trainingscenterleiterin des TÜV Rheinland.

Das beginnt schon bei Beginn der Teilnahme mit einer auf die Leistungsfähigkeit des Einzelnen abgestimmten wöchentlichen Stundenzahl, die während der Teilnahmedauer sukzessive gesteigert wird. In den 6 bis maximal 12 Monaten der Teilnahme können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verschiede Module durchlaufen und so Ihre Neigungen feststellen, aber auch die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten erweitern. So gibt es die Möglichkeit, sich mit Berufsfeldern aus Hauswirtschaft und Gastgewerbe, Handel und Lager, Metall und Holz und der EDV vertraut zu machen. Berufliche Praktika bis zu 6 Wochen, bei Bedarf auch mehrfach, schaffen die nötige Verbindung zu Arbeitgebern und der Erprobung im „Echtbetrieb“. Sie helfen „Brücken zu schlagen“ und runden die Entwicklung des jeweiligen „Plan B“ ab. Hier wird die TÜV Rheinland Akademie GmbH von den verschiedensten Arbeitgebern unterstützt.

Die ständige Begleitung durch Sozialpädagogen und Psychologen hilft dabei, Rückschläge zu verarbeiten und Probleme zu lösen. Sie trägt wesentlich dazu bei, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die abhanden gekommene Sicherheit wiederzugeben und ein neues Selbstvertrauen aufzubauen.

Bewerbungstraining, Begleitung zu Arbeitgebergesprächen und auch die Nachbetreuung nach einer erfolgreichen Integration (bis zu 6 Monate) gehören gleichermaßen zu den Aufgaben der Betreuer.

Ca. 100 Menschen haben das Projekt in der Zeit vom 1.7.2015 bis heute durchlaufen. Nicht immer konnten sie dabei in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse vermittelt werden, dazu waren die Probleme häufig zu massiv. In vielen Fällen gab es jedoch eine deutliche Verbesserung der persönlichen Situation und damit eine Annäherung an den Arbeitsmarkt mit Empfehlungen für die nächsten Schritte.

  • 7 Teilnehmer haben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in kaufmännischen und Dienstleistungsbereichen aufgenommen
  • 3 Teilnehmer haben eine geringfügige Beschäftigung gefunden
  • 2 Teilnehmer haben eine Ausbildung aufgenommen
  • 3 Teilnehmer haben im Anschluß eine Weiterbildung begonnen
  • 2 Teilnehmer haben nach Gesprächen mit den Sozialpädagogen und Psychologen den Weg in eine Therapie gefunden.

Maßnahmeangebote wie „Plan B“ werden auch zukünftig gebraucht, da die Zahl der Menschen mit komplexen psychischen und gesundheitlichen Einschränkungen wächst. Daher ist bereits jetzt mit der TÜV Rheinland Akademie GmbH die Weiterführung des Projektes ab 1.7.2018 bis 30.06.2020 vereinbart worden.

Ein Beispiel:

Frau Anton kam mit der Bereitschaft ihre Situation aktiv zu verändern für 6 Monate in die Maßnahme Plan B. Sie stieg aufgeschlossen und mit einer bereits diagnostizierten Krankheit – einer depressiven Persönlichkeitsstörung - beim Träger ein. Das Ziel ihrer Teilnahme lag in der persönlichen Stabilisierung, um sich wieder beruflich integrieren zu können.

„Mit Anfang 23 Jahren habe ich eine Ausbildung zur Friseurin auf Grund meiner Krankheit und den damit einhergehenden Überforderungen abgebrochen und therapeutische Hilfe in Anspruch genommen“ sagt Frau Anton. Unbekannte Situationen und Menschen machten ihr häufig Angst.

Der Wunsch als Friseurin zu arbeiten war für sie jedoch noch immer aktuell, daher wurden in vielen Gesprächen, ihr Verhalten in Konfliktsituationen thematisiert und neue Handlungsstrategien erarbeitet. Um Frau Anton die Ängste zu nehmen, initiierte der Träger des Projektes ein Praktikum bei einem Neubrandenburger Arbeitgeber – dem Friseursalon „Onyx“.

Salon "Onyx"

Foto: Jobcenter

Der Inhaber, Tim Großmüller, zeigte sich gegenüber dem Krankheitsbild und den Ängsten von Frau Anton sehr offen und feinfühlig. Er motivierte sie während des Praktikums durchzuhalten, unangenehme Situationen anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Er gab Frau Anton zu verstehen, dass eine Einstellung bei entsprechender Stabilisierung möglich ist.

Frau Anton hat sich, durch eine individuelle Planung, an 2 Tagen in der Woche im Betrieb praktisch erprobt und konnte bisherige Fertigkeiten vertiefen und ausbauen. An den restlichen 3 Tagen in der Woche nahm sie an Gesprächen mit psychologischer und sozialpädagogischer Begleitung teil.

 

Janine Anton

Foto: Jobcenter

Seit dem 1. Juli 2017 ist Frau Anton bei Herrn Großmüller im Neubrandenburger Friseursalon „Onyx“ in Vollzeit beschäftigt und feiert dort bald ihr 1-jähriges Jubiläum. Im Rahmen der Nachbetreuung durch die Sozialpädagogin des Projektes „Plan B“, gab es von Frau Anton das Feedback, dass ihr die Arbeit Freude bereitet und sie sich auch gesundheitlich wohl fühlt.