Nach körperlichen und psychischen Problemen endlich den eigenen Weg gefunden (Lesezeit ca. 2:30 Min.)

Ausgabejahr 2024
Datum 26.03.2024

Ich bin zu Besuch im Neustrelitzer Luisendomizil, dem Seniorenheim des DRK.

Ich betrete ein sehr modernes Haus. Was mir sofort auffällt, sind die vielen großen und offenen Räume, die durch die vielen Fenster sehr hell und einladend auf mich wirken. Dazwischen gibt es immer wieder kleinere Nischen, die zur Begegnung und zum Plaudern einladen.

Verabredet bin ich hier mit Jeremy Delkov. Der junge Mann absolviert hier seit September 2023 seine Ausbildung zur Pflegefachkraft. Als ich nach Herrn Delkov frage, schauen sich die Pflegekräfte zunächst fragend an. "Na, Ihren Auszubildenden" ergänze ich meine Frage.  "Ach, Sie meinen unseren Jeremy", rufen sie mir daraufhin zu, und jemand geht ihn holen.

Mir kommt ein junger Mann entgegen, der mich freundlich anlächelt. Wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen und beginnen uns zu unterhalten. Jeremy ist 23 Jahre alt und wohnt in Neustrelitz bei seiner Oma. Pfleger war längst nicht immer sein Berufswunsch. Der hat sich erst in den letzten 2 Jahren herauskristallisiert.  Vorher war er in ganz anderen Bereichen unterwegs.

Seine Geschichte interessiert mich, deshalb bin ich hergekommen, und Jeremy erzählt mir bereitwillig aus seinem noch jungen Leben.

Mit 9 Jahren starb sein Onkel. Dieser Verlust hat ihn nachhaltig geprägt. Jeremy entwickelte sich zum Einzelgänger. In der Rückschau schätzt er selbst ein, dass er sich seit diesem Erlebnis zunehmend selbst isolierte. Jahre später diagnostizierte ihm ein behandelnder Arzt eine posttraumatische Belastungsstörung.

Zu dieser Zeit verzog die Familie von Neustrelitz an die Ostsee. Jeremy absolvierte dort die Realschule, hatte aber schon zu Schulzeiten nur wenige enge Freunde. Nach dem Ende der Schulzeit begann er 2018 eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker, die er wegen massiven Rückenproblemen nach 16 Monaten auf ärztlichen Rat hin abbrechen musste. Er war nach Feierabend komplett ausgepowert und antriebslos. Zudem entwickelten sich zunehmend auch familiäre Probleme, und er zog sich zu Hause immer mehr zurück. Die Eltern trennten sich. Jeremy brach mit der Familie und zog allein wieder zurück nach Neustrelitz.

Die psychischen Probleme, die sich immer mehr zuspitzten hat er lange Zeit nicht wahrhaben wollen. Er fühlte sich krank, überfordert und war gefangen in seiner eigenen Unzufriedenheit. Es begann ein reiner Ärztemarathon, aber es gab von den Ärzten immer nur Tabletten, und niemand ging der Ursache auf den Grund.

Zwischenzeitlich hatte sich Jeremy im Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte-Süd arbeitslos gemeldet und wurde im Jugendservice MSE (JuSe MSE) betreut. Mehrfach wurde er von seiner Integrationsfachkraft und später auch von der Fallmanagerin auf mögliche bestehende psychische Probleme angesprochen und animiert, das doch mit dem Hausarzt zu besprechen. Irgendwann war dann der Punkt gekommen, an dem Jeremy den Rat annahm und mit seinem Arzt darüber sprach. Der Arzt erkannte das Problem und jetzt konnte eine Behandlung beginnen – zunächst mit Sport, Physiotherapie und Rückenschule, denn die Rückenschmerzen waren immer noch da.

Im März 2021 begann für Jeremy eine 9-monatigeTherapie in einer Neustrelitzer Tagesklinik, an deren Ende er noch immer psychisch instabil war. Ambulante Betreuung und Ergotherapie schlossen sich an. Jeremy hatte zu dieser Zeit keine Vorstellung davon, wie es bei ihm beruflich weitergehen sollte.

Er nahm einen Nebenjob als Aushilfe im Slawendorf in Neustrelitz an. Hier sammelte er erste positive Erfahrungen und schöpfte neuen Mut. Er bewarb sich bei einer ansässigen Elektrofirma und erhielt dort nach einem Vorstellungsgespräch einen Praktikumsplatz. Es kam jedoch nicht zu einer Einstellung.

Über seine Oma, bei der er wohnt und die er bei Bedarf auch unterstützt, kam Jeremy das erste Mal mit Pflege in Berührung. Das ließ bei ihm die Idee einer Ausbildung im sozialen Bereich aufkommen.

Über den JuSe MSE erhielt er unter anderem auch ein Angebot für einen Ausbildungsplatz beim DRK in Neustrelitz. Nach einem erfolgreichen Vorstellungsgespräch wurde gemeinsam ein Praktikum in der Pflege in Vorbereitung auf einen Ausbildungsplatz abgestimmt.

Das Praktikum fand im Mai 2023 statt. Es verlief für alle Seiten erfolgreich und Jeremy erhielt zum 1. September 2023 einen Ausbildungsvertrag für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft.

 

Jeremy Delkov Foto: Jobcenter

Heute, ein halbes Jahr nach Ausbildungsbeginn, sitzt mir ein zufriedener junger Mann gegenüber, der im Team Anerkennung findet und für sich den richtigen Weg gefunden hat.

…und seine Rückenschmerzen haben mit der neuen Aufgabe auch deutlich nachgelassen!