Ein langer Weg zum Erfolg, der viele Partner hatte (Lesezeit: 4:00)

Ausgabejahr 2022
Datum 07.04.2022

Im Jahr 2001 reiste Valeri Seide aus dem heutigen Kasachstan in Deutschland ein. Sein dort erworbener Berufsabschluss und seine Berufserfahrung waren in Deutschland nicht mehr verwertbar.

In den ersten Jahren nach seiner Ankunft übte Herr Seide mehrere Tätigkeiten im handwerklichen Bereich im Raum Neubrandenburg aus. Diese Tätigkeiten sowie ein gefördertes Beschäftigungsverhältnis im Rahmen des damaligen Beschäftigungszuschusses (BEZ) nach § 16e Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) führten jedoch zu keiner dauerhaften Integration in den Arbeitsmarkt. Über den § 16e des SGB II können Personen gefördert werden, die langzeitarbeitslos sind und durch in der Person liegende Vermittlungshemmnisse besonders schwer beeinträchtigt sind.

Auch ein längerer beruflicher Aufenthalt in Baden-Württemberg brachte nicht den gewünschten Erfolg für ihn. Vielmehr verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand und es zog ihn zurück zu seiner Familie in den Raum Neubrandenburg.

Seine Bemühungen für einen nachhaltigen beruflichen Neuanfang scheiterten im Wesentlichen an seinen fehlenden deutschen Sprachkenntnissen. Eine eigenständige Kommunikation in deutscher Sprache fiel ihm schwer und er war auf fremde Hilfe angewiesen. Nicht zuletzt dieser Umstand in Verbindung mit dem fehlenden beruflichen Erfolg hinterließ Spuren an seinem Selbstbewusstsein.

Individuelle Umstände hinderten Herrn Seide daran, seine Sprachkenntnisse durch das Absolvieren weiterer Sprachkurse signifikant zu verbessern und so einen Grundstein für eine dauerhafte Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu legen. So wuchs gemeinsam mit der Integrationsfachkraft im Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte-Süd der Gedanke, durch intensiven Kontakt zu deutschen Muttersprachlern im beruflichen Umfeld seine Sprachkenntnisse zu verbessern.

In Folge zwischenzeitlich aufgetretener gesundheitlicher Probleme folgte eine längere Phase der gesundheitlichen Stabilisierung, in deren Verlauf Herr Seide u.a. eine Arbeitsgelegenheit beim Sozial- und Jugendzentrum (SJZ) „Hinterste Mühle“ absolvierte. Das Arbeitsumfeld und die dort ausgeübten Tätigkeiten entsprachen seinen Neigungen und bestärkten ihn darin, ein ihm im Rahmen des damaligen Bundesprogramms „Soziale Teilhabe“ beim SJZ „Hinterste Mühle“ angebotenes Beschäftigungsverhältnis als technischer / handwerklicher Mitarbeiter vom 01.04.2017 bis 31.12.2018 aufzunehmen. Seine Aufgaben im Rahmen dieser Tätigkeit bestanden in der Grünanlagenpflege, der technischen Unterstützung bei der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Unterstützung bei Veranstaltungen.

Während dieser Zeit wurde Herr Seide intensiv durch den Arbeitgeber und seine Kolleginnen und Kollegen bei der Verbesserung seiner Deutschkenntnisse unterstützt. Dennoch genügten diese zum Auslaufen der Förderung noch nicht, um eine ungeförderte Folgebeschäftigung auf dem 1. Arbeitsmarkt aufzunehmen.

Mit der Einführung des Förderinstrumentes „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16i SGB II schuf der Gesetzgeber ab 2019 die Möglichkeit, Arbeitgebern für die Beschäftigung von besonders arbeitsmarktfernen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen hohen Lohnkostenzuschuss zu gewähren.

Dieser Lohnkostenzuschuss, gewährt durch das Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte-Süd, ermöglichte es dem SJZ „Hinterste Mühle“, Herrn Seide befristet vom 07.01.2019 bis 06.04.2022 als technischen Mitarbeiter und Hausmeister weiter zu beschäftigen. Erklärtes Ziel war es dabei, die Beschäftigungsfähigkeit von Herrn Seide über einen langen Förderzeitraum weiter zu steigern und insbesondere seine Sprachkenntnisse in dieser Zeit auszubauen.

Auf Grundlage seiner Einsatzbereitschaft und der weiteren intensiven Unterstützung durch seinen Arbeitgeber, seiner Kolleginnen und Kollegen und flankiert durch ein beschäftigungsbegleitendes Coaching durch das Jobcenter gelang es Herrn Seide, zunehmend seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Er konnte in dieser Zeit wertvolle Berufserfahrungen sammeln und sein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl bekamen ebenfalls einen positiven Schub. Er wurde zunehmend selbständiger, selbstbewusster und kommunikativer, so dass er heute – anders als in der Vergangenheit – in der Lage ist, sich im Arbeitsumfeld in deutscher Sprache zu verständigen und auch seine persönlichen Belange in deutscher Sprache eigenständig zu klären.

Bei der Suche nach Anschlussperspektiven stellte sich heraus, dass Herr Seide zusätzliche Arbeitsaufgaben übernehmen könnte, wenn er im Besitz des Führerscheins der Klasse BE wäre. Seine in Kasachstan erworbenen Führerscheinklassen waren mittlerweile in Deutschland größtenteils nicht mehr gültig. Im Rahmen des Qualifizierungsbudgets des § 16i SGB II wurde Herrn Seide die Möglichkeit gegeben, den Führerschein zu erwerben. Herr Seide konnte seine anfänglichen Ängste vor der Fahrschule überwinden, absolvierte erfolgreich den Fahrschulunterricht und erwarb den Anhängerführerschein der Klasse BE. Dieser Erfolg führte zu einer weiteren Stärkung seines Selbstbewusstseins und eröffnete ihm so neue Beschäftigungsperspektiven bei seinem Arbeitgeber.

Das SJZ „Hinterste Mühle“ gGmbH als Tochterunternehmen der Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft mbH betreibt u.a. auch ein Internat im Neubrandenburger Badeweg. Während des Corona-Lockdowns erhielt Herr Seide die Möglichkeit, den Hausmeister dieses Internates zu unterstützen.

Valeri Seide Quelle: Foto: Jobcenter

Durch seine hohe Motivation, seine Arbeitstugenden, sein handwerkliches Geschick, seine Mobilität und seine nunmehr deutlich besseren Deutschkennnisse war es Herrn Seide möglich, auch während seines Einsatzes im Internat zu überzeugen. Im Ergebnis erhielt Herr Seide durch seinen Arbeitgeber SJZ „Hinterste Mühle“ das Angebot einer ungeförderten Weiterbeschäftigung nach Auslaufen seines geförderten Beschäftigungsverhältnisses. 

Herr Seide unterschrieb am 18.10.2021 seinen neuen unbefristeten Arbeitsvertrag als technischer Mitarbeiter und Hausmeister und wird ab dem 07.04.2022 sowohl im Internat als auch auf dem Schulbauernhof, dem Tierhof und dem Feriendorf tätig sein, sowie weiterhin die Durchführung von Veranstaltungen der Kinder- und Jugendarbeit unterstützen.

Der Einsatz unterschiedlichster Eingliederungsinstrumente und die Betreuung durch das Jobcenter, die durch das SJZ gebotenen Chancen, die Einsatzbereitschaft von Herrn Seide, die intensive Begleitung und Unterstützung durch Arbeitgeber, Kolleginnen und Kollegen und Jobcenter bildeten zusammen ein starkes Band und ebneten gemeinsam  den Weg zu diesem Erfolg. 

Ein langer Weg zu einem Erfolg, der viele Partner hatte.