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Fragen zum Bürgergeld

von Pressesprecherin des Landratsamtes Anke Röder- Eckart

an Geschäftsführer des Jobcenter Ilm-Kreis Herr Alexander Kötschau

Ausgabejahr 2023
Datum 07.02.2023

Alexander Kötschau

Zum Jahreswechsel wurde das Bürgergeld eingeführt. Sie setzen das im Jobcenter um. Wie bewerten Sie das Bürgergeld?

Generell begrüßen wir die Neuausrichtung des SGB II. Den betroffenen Menschen bringt das Bürgergeld positive Effekte, wie beispielsweise den stärkeren Fokus auf Bildung und die Nachhaltigkeit der Vermittlung. Es ist gut, dass wichtige Forderungen der Jobcenter berücksichtigt worden sind, etwa die längere Fördermöglichkeiten bei Umschulungen - auf drei Jahre statt zwei Jahre, das Weiterbildungsgeld, der Wegfall des Vermittlungsvorranges und die Einführung einer Bagatellgrenze.

Was bedeutet das Bürgergeld konkret für die Menschen? Was ändert sich?

Mit dem Bürgergeld sollen die dauerhafte Integration in Arbeit und die Verbesserung der Arbeitsmarktchancen durch Qualifizierung und Berufsausbildung stärker in den Fokus gerückt werden. Bei den Fördermöglichkeiten wird der Instrumentenkasten größer. Mehr Fördermöglichkeiten bei Weiterbildungen, mehr Anreize durch das neue Weiterbildungsgeld und die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs stehen für diesen klaren Fokus auf Bildung und Nachhaltigkeit der Vermittlung.

Wann treten die Kernelemente in Kraft?

Die erste Stufe des Bürgergeld-Gesetzes – mit überwiegend leistungsrechtlichen Elementen – ist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Dies betrifft etwa die neuen Regelungen zu Vermögen und Wohnen, Leistungsminderungen und die Bagatellgrenze. Außerdem gelten die erhöhten Regelbedarfe, die automatisch an die Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher ausgezahlt worden sind, und der Vermittlungsvorrang wurde abgeschafft. Die Elemente, die die Unterstützung der Menschen auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt betreffen, treten in einer zweiten Stufe ab Juli 2023 in Kraft. Geringqualifizierte sollen auf dem Weg zu einer beruflichen Weiterbildung besser unterstützt werden. Dann werden auch die neuen Förderinstrumente (Bürgergeldbonus und Weiterbildungsgeld) und der Kooperationsplan eingeführt.

Ab wann gelten die neuen Hinzuverdienstregeln?

Ab dem 1. Juli 2023 sind beim Einkommen neue Freibeträge zu berücksichtigen. Diese sollen zusätzliche Erwerbsanreize schaffen. Durch höhere Freibeträge dürfen bei einer Beschäftigung mit einem Einkommen zwischen 520 und 1000 Euro 30 Prozent davon behalten werden. Junge Menschen behalten das Einkommen aus Schüler- und Studentenjobs, das Einkommen aus einer beruflichen Ausbildung und das Taschengeld aus einem Bundesfreiwilligendienst bis zur Minijob-Grenze (derzeit 520 Euro). Einkommen aus Schülerjobs in den Ferien bleibt gänzlich unberücksichtigt. Außerdem wird das Mutterschaftsgeld künftig nicht mehr angerechnet.

Sie sollen zukünftig mit den Arbeitslosen auf Augenhöhe arbeiten. Ändert sich jetzt Ihre Haltung den Arbeitslosen gegenüber?

Nein! Denn die wertschätzende Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern war uns in der Beratung auch schon in den letzten Jahren stets ein großes und wichtiges Anliegen. Die neuen Rahmenbedingungen und das zusätzliche Handwerkszeug (Bürgergeldbonus, Coaching, Weiterbildungsgeld und Kooperationsplan) unterstützen uns hierbei. Das Gesetz selbst und zukünftig eine bürgernähere Sprache in den zentralen erstellten Bescheiden werden in diesem Sinne jetzt auf mehr „Augenhöhe“ mit dem Kunden gebracht.

Wie hoch fallen die Leistungen im Bürgergeld aus?

Die Regelbedarfe werden automatisch angepasst. Für Alleinstehende hat sich dieser zum 1. Januar 2023 auf 502 Euro, für Paare je Partner auf 451 Euro erhöht. Für nichterwerbstätige Erwachsene unter 25 Jahren im Haushalt der Eltern erhöht sich der Betrag auf 402 Euro, für Jugendliche von 14 bis 17 Jahren auf 420 Euro, für Kinder von 6 bis 13 Jahren auf 348 Euro und für Kinder unter 6 Jahren auf 318 Euro.

Ohne Sanktionen (diese heißen ab sofort Leistungsminderungen) machen die Menschen doch, was sie wollen. Sie kommen nicht einmal zu den Terminen. Wie wollen Sie die dann vermitteln?

Das Handeln des Jobcenters war und wird auch nicht auf Leistungsminderungen ausgerichtet sein. Es ist aber wichtig, dass es in der Zusammenarbeit weiterhin eine Verbindlichkeit gibt. Bei einem Meldeversäumnis liegt jetzt die Minderung bei 10 Prozent für einen Monat. Bei den Pflichtverletzungen erfolgt die Minderung gestaffelt: Beim ersten Verstoß 10 Prozent für einen Monat, 20 Prozent für zwei Monate beim wiederholten Verstoß sowie 30 Prozent für drei Monate bei einem weiteren Verstoß. Tatsächlich spielen Leistungsminderungen bei uns im Jobcenter aber nur eine sehr untergeordnete Rolle und kommen kaum vor. Im vergangenen Jahr musste bei lediglich 1,3 Prozent der Leistungsberechtigten die Leistung gemindert werden. Und auch vor Corona und dem Sanktionsmoratorium lag diese Quote nur bei 4,3 Prozent.

Bekommen die Menschen mit dem Bürgergeld neue Bescheide?

Die Bescheide werden im Hinblick auf die rechtlichen Änderungen sowie die Bezeichnung Bürgergeld nach und nach angepasst – behalten aber im Wesentlichen zunächst ihre bekannte Gestalt. Die BA überprüft fortlaufend, ob die Bescheide bürgerfreundlicher (aus-) gestaltet werden können. Bürgergeldbeziehende sollen sich deshalb nicht irritieren lassen, wenn sie noch nicht sofort einen neuen Bescheid bekommen, auf dem „Bürgergeld“ steht.

Führt die Anhebung des Regelbedarfes zu mehr Leistungsbeziehenden in den Jobcentern?

Grundsätzlich wären damit mehr Menschen mit geringem Einkommen leistungsberechtigt. Die beschlossene Erhöhung des Wohngeldes könnte allerdings auch dazu führen, dass doch nicht so viel mehr Menschen die Unterstützung vom Jobcenter benötigen.

Viele sagen, dass es sich für Geringverdiener nicht mehr lohnt zu arbeiten, was sagen Sie?

Durch die Freibeträge haben die Menschen, deren Einkommen aus Arbeit so gering ist, dass sie zusätzlich Bürgergeld erhalten, mehr Geld als Menschen, die nur Bürgergeld beziehen: Das ist eine ganz klare Motivation. Das Bürgergeld-Gesetz enthält weitere Anreize zur Arbeitsaufnahme. Dazu hat Arbeit aber auch soziale Aspekte, zum Beispiel als Vorbild für die Kinder, und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe. Und aus dem Job heraus können sich die Menschen weiterentwickeln, hin zu mehr Verantwortung und mehr Gehalt. Schließlich führen nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Geld in die Rentenversicherung ab. Arbeit sichert also auch die eigene Rente.

Zum 1. Januar 2023 hat sich für die Mitarbeitenden in den Leistungsabteilungen einiges geändert. Wie befähigen Sie Ihre Mitarbeitenden?

Wir bereiten unsere Mitarbeitenden darauf vor, die neue gesetzliche Grundlage umsetzen zu können. Fachliche Weisungen, Arbeitshilfen und IT-Fachverfahren wurden bereits angepasst; noch ausstehende Anpassungen werden zeitnah erfolgen. Wo gesonderte Schulungen notwendig sind, werden wir diese durchführen.

Die Heiz- und Stromkosten steigen und bringen die Menschen in finanzielle Nöte. Was können die Jobcenter tun?

Die steigenden Heiz- und Stromkosten sind sehr herausfordernd. Heizkosten werden von den Jobcentern regelmäßig in der angemessenen Höhe übernommen. Anders ist es bei den Stromkosten: Haushaltsstrom ist Teil des Regelbedarfes, wird vom Gesetzgeber festgelegt und jährlich angepasst. Die Jobcenter haben keinen Spielraum, den Regelbedarf anzupassen. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass der Regelsatz zum 1. Januar 2023 deutlich gestiegen ist. Dennoch können steigende Stromkosten zu finanziellen Belastungen führen. Sollten Menschen in finanzielle Nöte kommen, können die Jobcenter zumindest ein Darlehen bewilligen.

Die steigenden Heizkosten treffen alle Menschen, auch diejenigen, die wenig verdienen, aber vom Staat kein Geld mehr bekommen. Bekommen die auch Unterstützung vom Jobcenter?

Das Sozialgesetzbuch II (SGB II) bietet die Möglichkeit, bei einer hohen Heizkostennachzahlung Bürgergeld nur für einen Monat zu beantragen. Dies betrifft auch die Beschaffung von Brennstoffen wie zum Beispiel Öl oder Pellets. Der Antrag muss spätestens bis zum Ablauf des dritten Monats nach dem Fälligkeitsmonat gestellt werden. Das gilt für alle Anträge, die bis zum 31. Dezember 2023 gestellt werden. Bei der Prüfung werden alle auch sonst erforderlichen Leistungsvoraussetzungen geprüft. Dazu gehört beispielsweise das Einkommen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Auch zum Vermögen muss Auskunft gegeben werden. Jede Person der Bedarfsgemeinschaft hat einen Freibetrag von 15.000 Euro. Liegt das Vermögen höher, besteht kein Anspruch auf Bürgergeld und die Jobcenter können nicht unterstützen.

Nach Medienberichten haben Kommunen teilweise Probleme, das Wohngeld zeitnah auszuzahlen. Wird das Jobcenter hier unterstützen?

Wenn die Bearbeitung in der Wohngeldstelle zu lange dauert, können die Menschen zur Sicherung des Lebensunterhalts grundsätzlich Bürgergeld beantragen. Dafür müssen sie allerdings komplette Anträge auf Bürgergeld stellen. Für uns bedeutet das eine massive zusätzliche Belastung. Natürlich werden wir alles tun, um schnell zu helfen. Wir haben aber auch mehr als 1.000 ukrainische Geflüchtete in die Grundsicherung übernommen und wir wissen noch nicht, inwiefern durch die hohen Energiepreise weitere Menschen Hilfe in den Jobcentern suchen. Zugleich soll ja auch der Start des Bürgergelds gelingen.